1. Philosophisches über das Alphorn
Gerade wegen seiner umwerfenden Einfachheit ist das Alphorn ein sehr anspruchsvolles Instrument.
Das Alphorn lässt sich mit der Genialität eines Bleistifts vergleichen.
Wir alle erinnern uns noch an das mühevolle Erlernen des Umgangs mit dem Bleistift. In langen Jahren unserer kostbaren Jugend haben wir den Umgang mit dem Stift erlernt. Vom ersten Buchstaben A bis zum sauber verfassten Bewerbungsbrief war es ein langer Weg. Ein einfacher Bleistift und ein Papier genügen aber einem Schreibgewandten, um alle seine Gefühle, Erlebnisse, sein Wissen vermitteln oder ausdrücken zu können.
Genauso verhält es sich mit dem Alphorn.
Auch ein simples Instrument aus Holz wie der Bleistift ermöglicht es uns, Gefühle wie Freude, Temperament, oder Ruhe und Friede auszudrücken und an andere Menschen zu vermitteln.
Verglichen mit anderen Musikinstrumenten erscheint das Alphorn völlig unzeitgemäss. Ja, ein Klavier zum Beispiel ist ein ungleich raffinierteres Instrument, das Produkt wissenschaftlicher Forschungen, aber auch generationenlangen Tüftelns. Das meisterliche Beherrschen verlangt Jahre der Ausbildung.
Das Alphorn ist einfach. Keine Fingerakrobatik ist erforderlich. Und trotzdem ist es eines der forderndsten Instrumente überhaupt. Das konische Rohr ist nur Verstärker, es braucht den Menschen, die Umgebung, die Kraft, das Gleichgewicht. Nur so können Klänge gebildet werden, die tragen, die so typisch sind.
Der Alphornbläser übt nicht nur des übens willen, er übt auch um zu meditieren, er sucht den Einklang, das Gleichgewicht. Seine Lektionen bezieht er im Einklang mit der Natur, an einem Waldrand, in einer Lichtung.
Das Alphorn wird ihn aber auch ein Leben lang fordern. Die Naturtöne sind auf dem hölzernen Konus so heikel, dass deren Beherrschung sehr viel, ja tägliches Training erfordert. Als Gegenleistung bietet aber das Alphorn eine absolut einmalige Brillanz der Klänge, phantastische Möglichkeiten der dynamischen Gestaltung. Aber auch Kenntnisse aller anderen musikalischen Gestaltungselemente wie Artikulation, Phrasierung, Tempo und Agogik sind erforderlich.
Alphornbläser sind Klangkünstler. Alphornblasen ist Meditation, Lebensstil.
Alphornblasen vermag aber auch Therapie oder ganz einfach Ausgleich zu einem anstrengenden Beruf zu sein. Wer das Alphornspiel versteht, hat das Gleichgewicht nicht verloren.
So erstaunlich das klingt, in unserer heute doch oft hektischen Zeit vermag das Alphorn einer ständig wachsenden Zahl von Menschen einen echten Beitrag an die Lebensqualität zu vermitteln.
2. Die Naturtonreihe
Mit dem Alphorn lassen sich nur Naturtöne spielen. Durch die Länge des Alphornes (Grundstimmung Fis = 3,40m) sind die folgenden Töne für einen geübten Alphornbläser gut spielbar.
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Wie im Alphorn Töne erzeugt werden
Was geschieht eigentlich beim Alphornblasen?
Die Atmungsluft (Ausatmung) wird mittels Zwerchfelldruck aus der Lunge ins Instrument geblasen. Durch Vibration der Lippen wird die vorbeiströmende Luft in Schwingung versetzt. Die im Innern des Alphorns liegende Luft wird dadurch erregt. Einem physikalischen Gesetz folgend schwingt die Luft im Alphorn in Wellen die eine ganz bestimmte Wellenlänge aufweisen. Diese Wellenlänge ist immer ein ganzzahliger Teil der Alphornlänge.
Lassen wir die Lippen langsam vibrieren, erzeugen wir lange Wellen, es entsteht ein tiefer Ton. Schwingen unsere Lippen schnell, erzeugen wir hohe Töne. Blasen wir ins Horn hinein ohne die Lippen vibrieren zu lassen, entsteht ein Geräusch (undefinierbare Tonhöhe). Die konische Trichterform des Alphorns dient in jedem Fall als akustischer Verstärker.
Merke:
Um einen Ton zu erzeugen braucht es nicht nur das Instrument, es braucht auch noch den Menschen dahinter.
Der Mensch bläst, erzeugt Druck und Schwingung - ist also der Generator.
Das Instrument ermöglicht eine lange schwingende Luftsäule - ist der Resonator.
1. Beim Aufstellen hinter dem Horn zum Blasen: gerade Haltung, sich strecken, durchatmen, selbstsichere freie Einstellung finden.
2. Mundstück nicht an die Oberlippe pressen - die Lippenmuskeln sollen die Spannung der Oberlippe ohne Verklemmung durch das Mundstück steuern können.
3. Die Wangen nicht aufblasen lassen. Luftpolster, überdehnen auf die Dauer Haut und Muskulatur.
4. Kein 'Kopfnicken'. Sämtliche Töne der Naturtonreihe sollten für ein flexibles, leichtes Spiel (Beweglichkeit) mit derselben Kopfstellung geblasen werden können. Variiert wird mit Unterkiefer, Zunge, Gesichtsmuskulatur und Zwerchfelldruck.
5. Das Zwerchfell zum Spielen mitgebrauchen. Mit Hilfe des Zwerchfells lassen sich 1. die Lungen viel mehr füllen, 2. die hohen Töne besser spielen, indem das Zwerchfell als Druckbalg für die Lungen benutzt wird. Damit lässt sich die Dynamik des Tones viel feiner steuern und die Luft in den Lungen besser ausnutzen (Tonstütze).
6. Gehör und Seele zum Spielen mitgebrauchen. Das Alphorn ist zu schade um es nur technisch zu beherrschen. Wenn wir unser Gehör und unsere Seele mitgebrauchen, können wir uns selber noch damit ausdrücken!
7. Regelmässiges Üben. Das Alphornspiel ist sehr vom Training der Lippen- und Zwerchfellmuskeln abhängig. Dies ist sozusagen Spitzensport. Wer nicht regelmässig (3-7 Mal pro Woche) übt, wird die Steuerung dieser Muskeln nie richtig unter Kontrolle bringen.
8. So viel als möglich im Freien üben. Vor allem die Konzentration, aber auch die positive Einstellung zum Spiel fällt im Freien automatisch leichter. Dies sollte man ausnutzen. Auch macht es unsäglich mehr Spass, und das Lernen fällt einem wesentlich leichter. Ein Spiel am Waldrand während des Sonnenuntergangs kann gar nicht schlecht herauskommen und schafft tiefe Freude und Dankbarkeit.
9. Die Lehrzeit für Alphornbläser beträgt ca. zwei Jahre. Für diese Zeit sollte man sich voll darauf konzentrieren können.
10. Es gibt kaum etwas Schöneres als Alphornblasen!
3. Die Gestaltungselemente
Tonkultur
Klangfarbe bezeichnet die Art des Klanges
Resonanz bezeichnet die Fülle des Klanges
Blastechnik
Treffsicherheit bezeichnet das genaue Anblasen der Töne
Beweglichkeit die Sicherheit in allen Tonlagen
Intonation bezieht sich auf die genaue Tonhöhe
Zusammenspiel exaktes zeitliches Zusammenspiel in Formationen
Gestaltungselemete des Komponisten
Rhythmik hier wird auf die exakte Länge der Noten geachtet
Metrik richtige Betonung des Taktmasses
Gestaltungselemente des Interpreten
Dynamik die Gestaltung der Lautstärke (laut, leise)
Phrasierung Satzbildung, Gliederung
Artikulation Art des Anblasens der Töne
Tempo muss dem Charakter des Melodieteils angepasst werden
Agogik kleine Temposchwankungen (künstlerische Feinheiten)
Allgemeine Elemente
Stückwahl bezieht sich auf den blastechnischen Schwierigkeitsgrad
Zeit die Dauer einer ganzheitlichen Interpretation
Musikalität Wird das musikalischen Empfinden geweckt (Zuhörer)?
Aussage Gewichtigkeit des Eindruckes eines Vortrages
4. Mein täglichesTraining
Das tägliche Training für einen guten Ansatz
1. Warm-Up: Jedes Üben mit mindestens 15 Minuten Einblasen beginnen nicht über g', zuerst ruhig, auf gute Atmung achten, Beweglichkeit steigern
2. Tonübungen mit viel Legato-Spiel (Töne binden, hinauf und hinunter), bis e''
3. Arbeit in einer Alphornschule oder analytisches Arbeiten an einem Vortragsstück
4. Hochton-Übungen oder Etüden-Blasen (nur alle zwei Tage)
5. Ausblasen mit langen, tiefen Tönen
6. Lippen von Hand oder unter warmem Wasser massieren und eventuell einsalben
Wie erarbeite ich einen guten Ansatz?
Das Beste ist einregelmässiges Training. Wesentlich dabei ist ein sinnvoller Aufbau des Trainings. Darüber allein liesse sich ein Buch schreiben! Ich würde sagen: je chaotischer, launischer, desto schlechter, je ruhiger, aufbauender, desto besser.
Einen Punkt gilt es noch zu bedenken: Ein gutes Training kann mindestens so viel Spass machen wie ein gewichtiger Auftritt. Ja, das tägliche Training kann zum regelrechten Bedürfnis werden. Es ist wichtig, dass wir dabei unseren Spass haben, es sollte nicht nur Mittel zum Zweck sein, nein, es kann sogar zum eigentlichen Kernpunkt werden.
Deshalb: Richten wir uns das Training so gut als nur möglich ein, kein Gehetze, bis wir mal Zeit finden, nein, regelmässig eingeplant und mit hoher Priorität versehen. Sich eine gute, gesicherte Lokalität suchen. Von Vorteil ist, wenn mindestens ein Raum (Keller etc.) vorhanden ist und wenn man niemanden stört. Man sollte wirklich auch pröbeln können. Das tönt nicht immer so gut, aber das Wissen um ungestörte akustische Freiheit ist sehr fördernd.
Das Üben im Freien bringt sehr viel Spass. Die Weite der Akustik führt oft dazu, dass man ganz anders spielt. Man ist psychisch wie auch physisch besser 'durchlüftet', was sich sofort in einem besseren Spiel niederschlägt. Das Vorhandensein einer permanenten Zuhörerschaft allerdings ist beim eigentlichen üben nicht von Vorteil, aus Tonübungen werden dann nur allzu oft Vortragsübungen.
5. Alphornblasen im Freien und an Wettbewerben
Alphornblasen in der Landschaft
Wir sollten uns stets bemühen, beim Alphornblasen eine akustisch gute Umgebung zu haben, denn es macht einfach viel mehr Spass und bringt das Alphorn erst so richtig zur Geltung.
Unbestritten Nummer 1 in der Auswahl der Klangräume sind natürlich unsere Alpen. Nichts ist so spannend, wie auf einer Wanderung plötzlich in eine akustisch aktive Gegend zu stossen. Da gibt es richtige ECHO-Sucher unter den Alphornbläsern - auch ein Hobby!
Alphornblasen an Wettblasen / Jodlerfesten
Man sollte sich schon einmal Gedanken über den Sinn von Wettblasen machen. Ich glaube, der Hauptzweck liegt in der Motivation zum üben. Man meldet sich an ein Wettblasen, um ein Ziel zu haben. Man freut sich schon Monate vorher auf den Wettvortrag und hat natürlich zugleich auch etwas Angst davor.
Man könnte Bücher darüber schreiben. Ich will mich aber kurz halten und empfehle einfach jedem, einmal ein Jodlerfest zu besuchen. Ich meine, es lohnt sich.
Jodlerfeste gibt es jedes Jahr in der Schweiz in den Monaten Juni-Juli. Alle drei Jahre wird ein Eidgenössisches Fest organisiert, mit allem Drum und Dran wie Fernsehen DRS und so weiter. In den Jahren dazwischen sind die regionalen Feste angesagt. Da wird dann um die Wette gejodelt und eben auch Alphorn geblasen. Die Festvorträge finden in der Sparte Alphorn immer im Freien statt, von Freitagmittag bis Samstagabend. Samstagabends wird dann gefestet und 'gefachsimpelt'. Zu diesem Zweck wird im Festort, möglichst zentral gelegen, eine Jodlergasse mit vielen Temporärbeizli eingerichtet. An so einem Abend etwas Atmosphäre, aber auch Klänge zu schnuppern kann doch sehr interessant sein. Wer aber etwas mehr Zeit opfern will und intensive Eindrücke vom Wettblasen mit all den Begleiterscheinungen sammeln will, dem empfehle ich, mal mindestens eine gute Stunde in der Zuhörerzone des Alphornvortragsortes zu verbringen, möglichst ungestört von geschwätzigen Kollegen, und sich ganz auf die Vorträge zu konzentrieren. Ich garantiere, er wird in dieser Stunde sehr viel über Gestaltungselemente, Lampenfieber und Auftrittsvorbereitung erfahren. Ganz sicher wird er den völlig gelösten Aelpler nicht erleben. Wohlverstanden, diese Spezies gibt es dort schon, nur sind sie eben sehr selten gelöst oder gar locker... - Trotzdem, die Sache ist es wert.
All den zeitgeistkritischen Mitmenschen möchte ich Folgendes mitgeben: Wir Alphornbläser haben alle echt Spass an unserem Hobby! Wir haben das Alphorn als unser Instrument gewählt, weil es uns fordert, weil uns seine Klänge faszinieren, weil es uns deswegen vom täglichen Stress löst!
Wer genau hinsieht und hinhört wird bald feststellen, wie stark auch diese Musik lebt!
Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Christian Schneider, Illnau, www.alphornbau.ch
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